MNA-Maßnahmen in Segnitz

MNA-Maßnahmen bei einem quellensanierten großflächigen Arsen-Grundwasserschaden

Aktuelle Untersuchungsergebnisse zum vertieften Prozessverständnis des MNA-Poten­zials am Altlasten­standort in Segnitz

Am Standort der ehemaligen Farbenfabrik Heinemann (Herstellung des Farbpigmentes „Schweinfurter Grün“) im Altortbereich von Segnitz am Main wird im Auftrag des Landratsamts Kitzingen unter Beteiligung der Gesellschaft zur Altlastensanierung in Bayern mbH (GAB) seit 2007 ein umfassendes Grund­wassermonitoring (Monitored Natural Attenuation (MNA)) zur Überwachung der Arsen-Schadstofffahne eines ab 1993 quellensanierten, massiven Kupfer-/Arsen-Schadens durch­geführt (Bericht zur Grundwassersanierung s. GAB im Dialog 01/2007).

Abb. 1: Ansicht des Altortsbereiches Segnitz am Main mit der Altlast ehem. Farbenfabrik Heinemann

Die Arsen-Grundwasserbelastungen erreichen im flur­nahen Aquifer (quartäre Mainsande/-kiese) in der Kernzone V (Scha­densherd) z. T. deutlich über 10 mg/l (bis max. ca. 40-80 mg/l) und nehmen in Grundwasserfließrichtung zum westlichen Ortsrand an der Fahnenspitze (Zone I) auf etwa 0,01 mg/l ab (entsprechend dem Stufe-1-Wert des LfW-Merkblattes 3.8/1 als Gering­fügigkeitsschwelle). Am Außenrand der Quartärfahne liegen mehrere große Gärt­nerei­betriebe mit Bereg­nungs­brunnen, die bislang keine auffälligen Arsenbelastungen zeigen.

Ausführung des MNA-Konzepts

Gemäß dem Forschungsverbundvorhaben "Nach­haltige Altlasten­bewältigung unter Einbeziehung des natürlichen Reinigungsvermögens im Unter­grund“, beruht das MNA-Konzept auf einem durch Laborversuche an Bodenproben im Kontami­nationsbereich nachgewiesenen Retentionspotenzial (Abbauvermögen) für insbe­sondere fünfwertiges Arsen (As(V)) durch bevorzugte Adsorption an unter oxidierenden Milieubedingungen stabilen Eisenmineralen (Fe(III)-Oxide/Hydroxide) in der quartären Bodenmatrix. 

Das Forschungsverbundvorhaben wurde im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umwelt­fragen, koordiniert durch die GAB, durchgeführt und im Jahr 2003 abgeschlossen.

Das aktuelle jährliche bis quartalsweise Monitoring (MNA) der Arsen-Schadstofffahne im Ortsgebiet und der südlich angrenzenden „Mainlände“ umfasst sowohl die Beprobung von bis zu 30 Grund­wasser­messstellen und privaten Hausbrunnen im quartären Porengrundwasserleiter und dem unter­lagern­den (schwächer arsenbelasteten) Muschel­­kalk­­aquifer auf Arsen als auch die gezielte Erfassung von Redoxparametern (u. a. Diffe­renzierung As(III)/As(V), Sauerstoffgehalt, Redoxpotenzial, Nitrat/Ammo­nium, Eisen(II)/Gesamteisen, Phosphat) an 13 aus­gewählten Grundwassermessstellen und ehe­maligen Sanierungsbrunnen zur Über­prüfung und Verifi­zierung des MNA-Prozessverständnisses.

Die vom Gutachter in Jahresberichten vorgelegten Untersuchungsergebnisse werden regelmäßig in einem Fachgremium (Projektgruppen­sitzungen) unter Beteiligung von Wasserwirt­schaftsamt, LfU Bayern und GAB erörtert und das weitere Vorgehen abgestimmt.

Es zeigte sich, dass in Mainnähe (zustromig) und der hochbelasteten Kernzone V teilweise noch schwach reduzierende Redox­ver­hältnisse herrschen, unter denen die As(III)-Spezies neben As(V) noch gelöst vorkommt. Im weiteren Abstrom (nordwestlich bis westlich, etwa parallel zum Main) wechselt die Redoxzonierung rasch in intermittierende bis zunehmend oxidierende Verhältnisse. Die Arsen­belastungen (ausschließlich als mobilere As(V)-Spezies vorliegend) nehmen auf kurze Distanz (< 100 m) drastisch ab.

Die Schadstofffahne mit den etwa konzentrischen Zonen I-V verhält sich mit gewissen saisonalen Schwankungen seit Beginn des Monitorings etwa stabil („stationär“) und weitet sich nicht merklich in Fließrichtung aus (s. Abb. 2).

Dies erklärt sich vorrangig mit zunehmend wirksamem Schad­stoffabbau durch Adsorptionsprozesse, vermutlich in kausalem Zusammenhang mit Eisenmineralen, die bei allmäh­lichem Übergang in die oxidierende Redoxzone (Oxidation von gelöstem Fe(II) zu geringer löslichen Fe(III)-Oxiden/-Hydroxiden) ausgefällt werden. Außerdem gibt es gewisse Dispersions- und Verdünnungseffekte innerhalb der mehr als 10 m tiefen Quartärrinne (flaches Grund­wassergefälle und geringe Fließgeschwindigkeit).

Abb. 2: Lageplan zum Arsenschaden Segnitz mit Ausbildung der konzentrischen Fahnenzonen I-V von der Mainlände und dem ehem. Fabrikgelände (Pfeil) mit dem Grundwasserstrom nach Nordwesten bis Westen. Luftbild: © Geobasisdaten: Bayerische Vermessungsverwaltung

Vor dem Hintergrund von dennoch in zahlreichen Beobachtungsmessstellen innerhalb der Kernzonen III-V und teilweise auch am äußeren Fahnenrand (Zone I) seit Jahren ansteigender Arsen-Trendent­wicklungen (statistische Erfassung aller Monitoringdaten mittels des Mann-Kendall-Testverfahrens, s. Abb. 3-4) und vereinzelten Überschreitungen von definierten Reaktionsplan-Schwellenwerten wurde bei der Projekt­gruppen­sitzung 2019 die langfristige Stationarität der Arsen-Schad­stofffahne und die Wirksam­keit von Adsorp­tions­prozessen („MNA-Potenzial“) kontrovers diskutiert.

Abb. 3: Arsen-Konzentrationsentwicklung im bisherigen GW-Monitoring an den ehem. Sanierungsmessstellen

Abb. 4: Arsen-Konzentrationsentwicklung im bisherigen GW-Monitoring an quartären Beobachtungs­mess­stellen innerhalb und am Außenrand der Schadstofffahne

Ergänzende Untersuchungen ab 2019

Zur Veri­fizierung des Prozessverständnisses aus dem Forschungsverbundvorhaben wurde vereinbart, im Fahnenbereich aktuelle wissenschaft­liche Vergleichsuntersuchungen (Bohrproben und Labortests) durchzuführen sowie das lokale Infor­mations­­defizit bezüglich der Grundwasserver­hältnisse und Schadstoffverteilung durch eine Nachver­dichtung des Messstellennetzes mittels Errichtung von drei weiteren Quartärmessstellen (P39-P41) am nordöstlichen und nordwestlichen Fahnenrand (Zonen I-III) zu minimieren.

Die im Zuge der Messstellen-Bohrarbeiten im November 2020 (Abb. 5-7) aus der wassergesättigten Bodenzone ge­wonnenen Liner-Bodenproben wurden in einem Speziallabor in Anlehnung an Testver­fahren des Forschungsverbundvorhabens umfangreich untersucht. Neben herkömmlichen Feststoff- und Eluat­analysen auf Eisen, Mangan, Arsen und Kupfer wurde auch eine sequentielle Extraktion (Verfahren nach ZEIEN & BRÜMMER, 1989) in sechs Fraktionen (mit schrittweise zunehmend stärkeren Lösungs­mitteln) durchgeführt, um die bevorzugte Bindungs­form von Arsen zu erforschen.

Gemäß den Testergebnissen ist unter den im Untersuchungsgebiet herrschenden (weitgehend neu­tralen) pH-Bedingungen im Grundwasser gelöstes Arsen in seiner drei- und fünfwertigen Oxidationsstufe (As(III) bzw. As(V)) stabil. Die fünfwertige Form liegt dabei als anionische Spezies (H2AsO4- und  HAsO42-) vor, bei einem pH-Wert < 9,2 ist das ungeladene  die vorherrschende As(III)-Spezies. Weiterhin ist das Redoxpotenzial des Wassers für die Dominanz der entsprechenden Redoxspezies verantwortlich, wobei aufgrund der für die Schadstofffahne ermittelten, vorwiegend intermittierenden bis (schwach) oxidierenden Milieubedingungen die fünfwertige Form dominieren sollte (vgl. Abb. 8), was auch durch die bisherigen Arsendifferenzierungen bestätigt werden konnte. Unter reduzierenden bis schwach oxidierenden Redoxverhältnissen können jedoch auch As(III)-Spezies stabil vorkommen, die eine gegenüber As(V)-Verbindungen zehnfach höhere Löslichkeit (und damit deutlich erhöhte Mobilität im Grundwasser) aufweisen.

Neben der Löslichkeit wird die Arsen-Mobilität im Aquifer auch wesentlich durch Adsorptionsprozesse an vorherrschenden Mineralen (Bodenpartikel) gesteuert, wobei insbesondere Eisenoxide / Eisen­hydroxide (z. B. Goethit, vgl. Abb. 9) eine bedeutende Rolle spielen. Bei den dominierenden As(V)-Spezies nimmt diese mit auf < 8 abnehmenden pH deutlich zu, ist also unter den gegebenen pH-Bedingungen wirksam. Auch As(III)-Spezies können hierbei (in geringerem Maße) adsorbiert werden, soweit schwächer oxidierende Redoxbedingungen die Stabilität von As(III)- und Eisen(hydr)oxid-Verbindungen erlauben. Bei den aktuellen Lineruntersuchungen zum Arsenschaden Segnitz konnte gezeigt werden, dass in der wassergesättigten Bodenzone Eisenminerale dominieren bzw. deutlich erhöhte Gehalte (> 4.500 bis max. 28.000 mg/kg) aufweisen. Das bereichsweise in ebenfalls erhöhten Feststoff­gehalten vorliegende Arsen (bis > 50 mg/kg) zeigt sich in den Extraktionstests zum Großteil (zu ca. 60-80 %) an schlecht kristalline bzw. kristalline Eisen(hydr)oxid-Partikeloberflächen adsorbiert. Der restliche Anteil ist zum Großteil an Manganoxide bzw. organische Substanzen gebundenes Arsen.

Abb. 8: Prädominanzdiagramm (pH/Eh) Arsen

Abb. 9: pH-Abhängigkeit der Adsorption von As(III) und As(V) an Goethit

Ein Anteil von ca. 10 % (bis max. 20 %) des Arsens im Boden liegt in einer mobilen bzw. leicht nach­lieferbaren Form vor. Dieser Befund verdeutlicht, dass im Untergrund des Schadensbereiches ein potenziell gutes Rückhaltevermögen („MNA-Potenzial“) für Arsen herrscht, nicht alles Arsen jedoch stabil an die Bodenmatrix fixiert vorliegt, was die z. T. deutlichen saisonalen Schwankungen der Grundwasserkontaminationen innerhalb der Schadstofffahne erklärt. 

Zwischenergebnis

Unter Berücksichtigung der neuen Erkenntnisse und des aktuellen Schadensbildes ist zu schlussfolgern, dass im Ortsbereich Segnitz (ehem. Fabrikgelände) und an der südlich benachbarten Mainlände Arsen nach wie vor in Abhängigkeit der variierenden Grundwasserverhältnisse (Infiltrationsbereich des Mainoberwassers) aus Restkontaminationen (gesättigte bis ungesättigte Bodenzone) stetig und in wei­ter­hin großen Mengen mobilisiert und in Abstromrichtung deutlich nach Nordwesten / Westen verfrachtet wird. Offensichtlich reicht in der Schadens-Kernzone aufgrund der hier eher schwach reduzierenden bis intermittierenden Redoxzone das Dargebot an stabilen Adsorptionsoberflächen (Eisenoxide/Eisenhydroxide) für die dort im Quartärgrundwasser in hohem Maße gelösten As(V)- und (mobileren) As(III)-Spezies nicht aus, da unter den herrschenden Milieubedingungen ein Großteil des Eisens, als Fe(II), ebenfalls in Lösung bleibt. Die schwächere Arsen-Bindung an evtl. organische Substanzen oder sonstige Partikeloberflächen kann offensichtlich bereits bei geringen Redoxmilieu-Schwankungen zu einer Desorption bzw. Mobilisierung von Arsen führen, was die z. T. erheblichen Konzentrationsschwankungen an einzelnen Monitoring-GWM (und somit das ständige „Oszillieren“ der inneren Zonenränder) erklärt. Auch könnten lösliche Phosphor-Verbindungen bei Arsen-Desorp­tionsprozessen in Konkurrenz zu adsorbierenden Eisen(hydr)oxiden eine wichtige Rolle spielen.

In diesem Kontext ist nachzuvollziehen, dass die Arsengehalte im Schadenszentrum und den angrenzenden Belastungszonen (v. a. III-V) seit Jahren, ungeachtet kurz- bis mittelfristig fallender / stagnierender Trendentwicklungen, im statistischen Langzeittrend ansteigen, da im Quellbereich und direkten Abstrom offenbar keine ausreichenden Adsorptions­kapazitäten vorliegen bzw. phasenweise Desorptionsprozesse bei bereits geringen Redoxmilieu-Verschiebungen wirksam werden. Das in der gesättigten Bodenzone gebundene drei- bis fünfwertige Arsen liegt dort offensichtlich nicht ausschließlich in langfristig stabilen, unlöslichen Verbindungen fixiert vor. Damit kann sich der nordwestliche Fahnenrand in Abstromrichtung lokal ausbreiten / stärker oszillieren und ist als nicht dauerhaft stationär einzustufen.

Zum westlichen Außenrand der Schadstofffahne nimmt, unverändert seit Monitoringbeginn, mit dem sich hier stark verflachenden Grundwassergefälle und verringerter Fließgeschwindigkeit die Schad­stofffracht im Quartärgrundwasser auf kurze Distanz deutlich ab. Die sich durch Dispersions- und Verdünnungseffekte im Grundwasserstrom vom Quellbereich aus natürlich vermindernden Schad­stoff­gehalte werden offensichtlich durch das in Relation hohe und aufgrund hier zunehmend oxidierender Bedingungen auch stabilere Angebot an Eisenmineralen (Adsorptionsplätze für As(V)-Spezies) im Boden zusätzlich wirksam immobilisiert. Dies erklärt, warum im bisherigen Monitoring die Arsen-Fahnen­spitze, abgesehen von temporären, kleinräumigen Oszillationen, nahezu stationär bleibt und sich nicht nachhaltig in westliche Abstromrichtung zu den dortigen Gärtnereibrunnen ausweitet. Dieser Befund wird auch durch die langfristig weiterhin stagnierenden Trendentwicklungen an den meisten Beobachtungsmessstellen am dortigen Fahnenrand gestützt.

Ausblick

Das Grundwassermonitoring (MNA) wird aufgrund der weiterhin hohen Arsen-Belastungen im bis­herigen Umfang fortgesetzt und um vergleichende Frachtbetrachtungen im Schadenszentrum er­weitert, um neben den statistischen Trendentwicklungen weitere Anhaltspunkte für die Beurteilung einer anhaltenden Stationarität oder allmählichen Ausdehnung der Schadstofffahne zu erlangen. Um die Arsen-Trendergebnisse im Hinblick auf anfängliche Reboundeffekte in den ersten Monitoring­jahren nach Einstellung der Grundwassersanierung kritisch zu überprüfen, ist zudem ein alternativer Statistikansatz mit Limitierung der Analysedaten auf die letzten 10 Monitoringjahre vorgesehen.

Autor: Dr. Harald Kunkel, Genesis Umwelt Consult GmbH

Bildrechte: Genesis Umwelt Consult GmbH, Abbildung 1: Titelbild Bericht z. Forschungsverbundvorhaben, Bildquelle konnte nicht ermittelt werden.

Bericht auch in GAB Kompakt 01/22 veröffentlicht, 28.03.2022