Im Spannungsfeld von Natur- und Bodenschutz

Sanierungsplanung und Sanierung/Sicherung der Deponie Oberschönau II

Lageplan der Deponie "Oberschönau II" mit dem Umgriff der Deponie und den wesentlichen Elementen der ursprünglichen geplanten Deponieabdeckung mit Böschungssicherung und Oberflächenwasserableitung, Bildrecht: Sakosta GmbH, München

Auf einer ca. 5.000 m² großen Fläche, die mit einer Höhendifferenz von ca. 30 m steil zur Ramsauer Ache abfällt, wurden die ursprünglichen tiefen Erosionsgräben mit ca. 35.000 m³ Abfall verfüllt. So hat die Gemeinde Schönau im Ortsteil Oberschönau im Zeitraum von 1956 bis Ende 1973 die gemeindeeigene Hausmülldeponie Oberschönau II betrieben. 

Bereits während des Deponiebetriebs wurden in den 50er und 60er Jahren Böschungsrutschungen festgestellt, wobei Deponat drohte, die Ramsauer Ache zu blockieren. Ende 1973 wurde der Müllplatz geschlossen, mit Bauschutt und Erdaushub restverfüllt, bis 1976 rekultiviert, d. h. behelfsmäßig abgedeckt, und anschließend konkludent aus der Nachsorge entlassen. 

Heute besteht die Deponiefläche aus dem steilen bewaldeten Böschungsbereich (ca. 1.500 m²) und der annähernd ebenen Fläche am Böschungskopf (ca. 3.600 m²), die extensiv als Grünland genutzt wird. Der Uferbereich der Ramsauer Ache ist als Biotop kartiert (§ 30 BNatSchG). Südlich grenzt das Feuchtgebiet Rennermoos an den Deponiestandort an.

Die Deponiebasis besteht teils aus quartären Bildungen (nagelfluhartige Konglomerate, Tone bis sandige Kiese), teils aus anstehendem Dolomit des Haselgebirges. 

Orientierende und Detailuntersuchung

Im Rahmen der Orientierenden Untersuchung im Jahr 2009 wurden neben teils frei an der Oberfläche liegenden typischen Müllbestandteilen erhebliche Schwermetall-, MKW- und PAK-Belastungen in der Festsubstanz sowie Prüfwertüberschreitungen im Eluat nachgewiesen. Als kritisch erwies sich ferner, dass in den Deponiekörper infiltrierendes Grund- und Sickerwasser bis zu einer Mächtigkeit von 4 m eingestaut war. An drei Stellen trat dieses Wasser mit zum Teil auffälligen Befunden aus (hohe Sulfat- und Calcium-Gehalte). Ein ungefasster Wasseraustritt im Böschungsbereich war durch deutliche Ockerfärbung und erhöhte Eisen(II)-oxid- und Barium-Konzentrationen gekennzeichnet. 

Da sich der Anfangsverdacht einer Altlast hinreichend erhärtet hatte, hat das Landratsamt Berchtesgadener Land die Gemeinde Schönau im Jahr 2010 aufgefordert, eine Detailuntersuchung durchführen zu lassen. Anhand der Ergebnisse der Detailuntersuchung (2011 – 2013) bestätigte sich die Gefährdung des Wirkungspfads Boden–Grundwasser. Maßnahmen zur Gefahrenabwehr waren somit notwendig. 

Das von der Deponieböschung ausgehende Risiko einer Rutschung wurde aus ingenieurgeologischer Sicht zum damaligen Zeitpunkt als gering eingestuft. 

Sanierungsuntersuchung

Das zuständige Landratsamt Berchtesgadener Land hat die Gemeinde Schönau in der Folge im Jahr 2013 aufgefordert, eine Sanierungsuntersuchung zu veranlassen. 

Im Rahmen dieser Sanierungsuntersuchung (2015 – 2018) wurden eine vertiefte Historische Erkundung zur Erkundung des Verlaufs der verfüllten Gräben, geophysikalische und geotechnische Untersuchungen (u. a. Inklinometermessungen, Rammsondierungen, bodenmechanische Laborversuche), Grund- und Sickerwasseruntersuchungen durchgeführt sowie eine Sanierungsvariantenstudie erstellt. 

Das von Süden in den Deponiekörper eindringende Grundwasser wurde vermutlich bereits in den 70er Jahren behelfsmäßig gefasst und am Ostrand der Deponie abgeleitet; allerdings war diese Leitung mittlerweile nachweislich defekt, so dass das Wasser erneut in den Deponiekörper gelangen konnte. Ebenso versickerte Oberflächenwasser über die Verebnungsfläche in den Deponiekörper. Die geotechnische Untersuchung ergab, dass die Deponieböschung im derzeitigen Zustand instabil war und Kriechbewegungen feststellbar waren. 

Sanierungsvariantenstudie

Als Sanierungsvarianten wurden ein Komplettaushub (Netto-Schätzkosten 8,5 – 10 Mio. Euro, Variante 1), eine Komplett- bzw. Teilabdeckung (Netto-Schätzkosten 1,4 – 1,8 Mio. Euro, Variante 2) sowie eine Sickerwasserfassung und -reinigung (Netto-Schätzkosten ca. 500.000 Euro, jährliche Folgekosten ca. 16.000 Euro, Variante 3) untersucht. Alternativ zu einer sofortigen Sanierung bzw. Sicherung wurde ferner ein 5- bzw. 10-jähriges Monitoring des Sickerwassers, Stauwassers und Hangwassers diskutiert.

Vorbehaltlich weiterer Verformungsmessungen an den Inklinometern und der Standsicherheitsberechnung wurde zunächst die Variante Abdeckung der gesamten Verebnungsfläche mit Fassung und Ableitung des seitlich in den Deponiekörper infiltrierenden Grundwassers (Variante 2B) aufgrund des günstigsten Kosten-/Nutzenverhältnisses bei geringem Nachsorgeaufwand favorisiert. Falls eine geotechnische Sicherung der Böschung erforderlich sein sollte, wurde alternativ die Variante Komplettabdeckung inkl. geotechnischer Sicherung der Böschung (Variante 2A) bevorzugt.

Sanierungsplanung

Im Rahmen der anschließenden Sanierungsplanung (2019 – 2020) wurden die Inklinometermessungen abgeschlossen und eine Standsicherheitsberechnung der Böschung erstellt. Die Inklinometermessungen ergaben deutliche Verformungsbeträge. In dem Gutachten zur Sanierungsplanung (Stufe Entwurfsplanung), Juni 2020, wurde dargelegt, dass aus fachlicher Sicht bzw. aus statischen Gründen nur die Variante 2A der Sanierungsuntersuchung mit einer Komplettabdeckung der Deponieoberfläche und einer entsprechend aufwändigen Böschungssicherung als wirksame Sanierungsmaßnahme in Frage kommt. Um den Deponiekörper zu stabilisieren, war es ferner vorgesehen, hangseitig zutretendes Oberflächen- und Grundwasser durch geeignete Maßnahmen abzufangen und abzuleiten. Die Netto-Schätzkosten wurden in der Folge mit ca. 2,8 – 3,5 Mio. Euro angegeben. Dazu wären umfangreiche Voruntersuchungen für die statische Dimensionierung des Bauwerks zur Böschungssicherung gekommen. 

Entwurfsplanung (Schnitt B – B') der ursprünglich geplanten Böschungssicherung, Bildrecht: GDP ZT GmbH, A-5411 Oberalm

Ferner wurde darauf hingewiesen, dass die Herstellung des Bauwerks zur Böschungssicherung mittels bewehrter Erde eine großflächige Rodung der Böschung und einen dauerhaften landschaftsverändernden Eingriff in biotopkartierte Flächen bedeutet hätte. In der Folge wären umfangreiche kosten- und zeitaufwändige naturschutzrechtliche Auflagen wie ein landschaftspflegerischer Begleitplan und eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung zu erfüllen gewesen.

Nach Abwägung der Belange von Bodenschutz, Gesundheitsschutz, Gewässerreinhaltung (Grundwasser, Ramsauer Ache) und Naturschutz sah das Landratsamt Berchtesgadener Land die Komplettabdeckung und Böschungssicherung nicht mehr als verhältnismäßig an, insbesondere da die Maßnahme aus Sicht des Naturschutzes einen zu erheblichen Eingriff in das Landschaftsbild und eine biotopkartierte Fläche bedeutet hätte. 

Das Landratsamt Berchtesgadener Land hat die Gemeinde Schönau daher im September 2020 aufgefordert, lediglich geeignete Sicherungsmaßnahmen mit dem Ziel des Schutzes des Deponiekörpers vor infiltrierendem Oberflächenwasser zu veranlassen und parallel dazu Sickerwasseruntersuchungen als Eigenkontrollmaßnahmen nach § 15 BBodSchG durchzuführen. Der Anteil des Oberflächenwassers am Gesamtabfluss aus dem Einzugsgebiet der Deponie beträgt ca. 65 %. 

Im Rahmen der Sanierungsuntersuchung Teil B wurden zwei Varianten eines Oberflächenwasserkanals verglichen. Anschließend wurde die Vorplanung für die vorzugswürdige Variante "Ableitung des Oberflächenwassers in einem neu zu bauenden Kanal entlang der Straße Rennermoos – Stangerberg bis zum Anschluss an den bestehenden Kanal an der Lokalität Stangerberg“ (geschätzte Baukosten ca. 144.453 Euro netto) erstellt. 

Vorplanung der Oberflächenentwässerung auf Orthophoto mit Darstellung der beschädigten Bestandsleitung am Deponie-Ostrand und Skizze des neuen Oberflächenwasserkanals, Bildrecht: Marktgemeinde Berchtesgaden, Geobasisdaten: Bayerische Vermessungsverwaltung – www.geodaten.bayern.de (Daten verändert), Lizenz: CC BY 4.0 

Die Sicherungsmaßnahme im Überblick

Am südlichen Rand der Straße Rennermoos wurde zur Fassung des anfallenden Oberflächenwassers (Niederschlagswasser, Wasser aus dem Rennermoos) ein Regenwasserkanal PP DN 300 mit einer Gesamtlänge von 170 m mit den erforderlichen Wartungs- und Einlaufschächten verlegt. Auf der Sohle des Rohrgrabens wurde eine Drainageleitung mitverlegt. In der Straße Stangerberg mündet der neue Kanal in den bestehenden Regenwasserkanal. Am östlichen Ende der Baumaßnahme befand sich parallel zur Straße ein Entwässerungsgraben, welcher im Zuge der Maßnahme auf einer Länge von 40 m abgedichtet und auf den neuen Kanal angeschlossen wurde. Die bestehenden vier Grundwassermessstellen wurden erhalten.

Die abgerissene Böschungskante am nördlichen Ende der Deponie wurde mit Naturmatten (400 m²) gesichert und angesät. Die im Bereich der Böschungskante abgerissene Ablaufleitung des alten Oberflächenwasserkanals wurde verlängert. Im oberen Bereich in Richtung Straße wurde der alte Oberflächenwasserkanal sowie der Leitungsgraben verschlossen bzw. abgedichtet. Die Sanierungsmaßnahme wurde im August 2023 nach sechswöchiger Bauzeit abgeschlossen.

Die Eigenkontrolle nach § 15 BBodSchG umfasst ein 5- bis 10-jähriges Monitoring: Jährlich sind die Sickerwasser- und Grundwassermessstellen auf die relevanten Schadstoffe zu untersuchen. Die Standsicherheit der Böschung wird entsprechend eines Überwachungskonzepts eines geotechnischen Sachverständigen kontrolliert.

Fazit

Aufgrund des bei der ursprünglichen Planung erforderlichen massiven und dauerhaften Eingriffs in das Landschaftsbild und der damit verbundenen naturschutzfachlichen Bedenken sowie des immensen Aufwands für eine ca. 30 m hohe Böschungssicherung wurde statt der ursprünglich geplanten Deponiesanierung mittels Abdichtung lediglich das Oberflächenwasser schadlos gefasst und abgeleitet. 

Durch die Ableitung des Oberflächenwassers werden der Eintrag von Oberflächenwasser in den Deponiekörper, der damit verbundene Schadstoffaustrag und die Rutschungsgefährdung der Deponie mit einem vergleichsweise marginalen Aufwand signifikant reduziert. Die Wirksamkeit der Maßnahme wird im Rahmen der Eigenkontrolle nach § 15 BBodSchG durch ein 5- bis 10-jähriges Monitoring überwacht.

Gegenüber der ursprünglichen Sanierungsplanung mit Netto-Schätzkosten von bis zu 3,5 Mio. Euro belaufen sich die Gesamtkosten für den Standort ab der Detailuntersuchung bis zur Sanierung so auf nur noch rund 340.000 Euro brutto; davon entfallen auf die eigentliche Sanierung, d. h. den Bau des Oberflächenwasserkanals, rund 164.000 Euro brutto.

Sicherung der abgerissenen Böschungskante mit Naturmatten und Verlängerung der Ablaufleitung, Bildrecht: GAB, München

Autoren:

M.Eng. Johannes Höglauer, Dippold + Gerold, Beratende Ingenieure GmbH, Prien a. Chiemsee; Rainer Toepel, Gesellschaft zur Altlastensanierung in Bayern mbH (GAB), München

Bericht auch in GAB Kompakt 01/2024 veröffentlicht, März 2024