Deponiesicherung mittels Ufermauer
Errichtung einer Ufermauer zur Sicherung des Deponiekörpers der ehemaligen Hausmülldeponie Stadelschwarzach an der Schwarzach
Die ehemalige Hausmülldeponie in der Gemarkung Stadelschwarzach sollte durch eine Ufersicherung dauerhaft dem erosiven Angriff durch die Schwarzach entzogen werden.
Bisher war der unterhalb eines Streichwehrs gelegene Prallhangbereich mit dem angeschnittenen Deponiekörper provisorisch durch steingefüllte Big Bags gesichert (siehe Abb. 1). Diese Zwischensicherung konnte ihre Schutzfunktion in zunehmenden Maß insbesondere bei Hochwasserereignissen nicht mehr erfüllen und musste daher von der Stadt Prichsenstadt durch ein dauerhaftes Bauwerk ersetzt werden.
Als technisch wirtschaftlichste Lösung wurde in der Vorplanung eine naturnahe Sicherung des Prallhangs über einen Blocksatz aus Natursteinquadern mit einem Kolkschutz aus Spundwänden im Fußbereich ermittelt.
Abb. 1 Schwarzach nach dem Hochwasserereignis Mai/Juni 2013 (Höchster am Pegel Reupelsdorf gemessener Abfluss seit 1984, HQ 42,2 m³/s)
Abb. 2 Nach der Sanierung mit Blocksatzmauer gesicherter Prallhang der ehemaligen Hausmülldeponie
Gewässer- und Abflussdaten
Die Schwarzach entspringt auf einer Höhe von 455 m ü. NN am Handthaler Stollberg im Steigerwald und mündet nach 21,4 km und einem Höhenunterschied von 267 m bei Schwarzach in den Main.
Nach überschlägiger Berechnung des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburg sind im Bereich der ehemaligen Hausmülldeponie mit einem Einzugsgebiet von Aeo=65,4 km2 folgende Abflüsse [m³/s] zu erwarten, die im Durchschnitt der Jahre erreicht oder überschritten werden.
Abflussmengen [m³/s] der Schwarzach im Bereich der ehemaligen Hausmülldeponie:
HQ2 |
HQ5 |
HQ10 |
HQ20 |
HQ50 |
HQ100 |
10,5 |
18 |
25 |
32 |
45 |
55 |
Morphologische Verhältnisse
Im Planungsgebiet fungiert ein parallel zur Fließrichtung des Hauptflusses angeordnetes Streichwehr des Mühlkanals als wasserbauliche Überlaufschwelle. Es regelt bei ankommenden Übermengen den Abflussvorgang (Fallhöhe 1,5 m) in den orografisch tieferliegenden linken Seitenarm der Schwarzach, an dem die ehemalige Hausmülldeponie liegt.
Ab einem Pegelstand von über 219,1 m NN wird die Wehranlage auf einer Breite von ca. 20 m überströmt. Der Wasserstand für ein 100-jährliches Hochwasser liegt bei 219,5 m ü NN und damit rund 2 m über der Deponiesohle (siehe Eintrag in Abbildung 3 Profilschnitt mit Blocksatzverbau und Spundwand).
In dem trichterförmig ausgebildeten Gerinne nimmt bei entsprechenden Abflussmengen die Fließgeschwindigkeit massiv zu und führt zu erheblichen Erosionserscheinungen in der Prallhangböschung, einhergehend mit der Verfrachtung der Hausmüllablagerungen.
Die ursprüngliche Uferböschung wies auf einer Länge von ca. 30 m in den steilsten Bereichen des Deponiekörpers Neigungen zwischen ca. 50° und 60° bei einer Böschungshöhe von rund 5 m auf.
Altlastenuntersuchungen
Im Jahr 2011 wurde die ehemalige Hausmülldeponie Stadelschwarzach orientierend erkundet. Für die Detailuntersuchung wurden 2013 u. a. drei Grundwassermessstellen errichtet und Grundwasseruntersuchungen ausgeführt.
Aus den Befunden ließ sich bezüglich des Wirkungspfades Boden-Grundwasser aus Sicht des Sachverständigen kein schadstoffbegründetes Erfordernis von Maßnahmen nach § 2 Abs. 7 oder 8 BBodSchG ableiten.
Die abschließende Gefährdungsabschätzung ergab jedoch die Notwendigkeit von bodenschutzrechtlichen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr für den Wirkungspfad Boden-Gewässer. Die im Prallhangbereich der Schwarzach liegende Deponieböschung würde ohne Sanierungsmaßnahmen weiterhin erodiert werden, was eine dauerhafte Gefahr für das Oberflächengewässer durch nachfallendes, belastetes Deponiematerial darstellt. Entsprechend forderte das Landratsamt Kitzingen die Stadt Prichsenstadt auf der Basis des Bodenschutzrechts zur Durchführung von Sanierungsmaßnahmen zur Sicherung der Deponieböschung und somit zum Schutz des Oberflächengewässers auf.
Geotechnische Grundlagen
Die Ergebnisse der im Herbst 2019 durchgeführten Baugrunderkundung dienten als Grundlage für die endgültige Auslegung und Dimensionierung der Ufersicherung. Neben Kleinrammbohrungen und Schweren Rammsondierungen wurde eine 11,6 m tiefe Aufschlussbohrung abgeteuft, um qualifizierte Bodenproben für geotechnische Zwecke zu gewinnen. Mit den entnommenen Boden- und Sonderproben konnten die bodenmechanischen Berechnungskennwerte labortechnisch abgesichert und orientierende abfallrechtliche Untersuchungen durchgeführt werden.
Im Umgriff der ehemaligen Hausmülldeponie ist in den quartären Sanden ein oberflächennaher Aquifer als Uferbegleitstrom parallel zum Flussverlauf ausgebildet. Im Liegenden folgen die Tonstein-Gelbkalk-Schichten des oberen Unterkeupers (ku 2) und die Schichten des Werksandsteins (kuW). Den Hauptgrundwasserleiter bildet der ca. 80 m mächtige und teilweise verkarstete Obere Muschelkalk.
Die Altdeponie weist eine geringmächtige Mutterbodenlage und eine 0,4 m bis 2,3 m mächtige Rekultivierungsschicht aus Schluffen bzw. locker gelagerten Sanden mit Bauschuttresten auf. Der Deponiekörper besteht aus 0,5 m bis 4,2 m mächtigen Boden- und Bauschuttablagerungen mit typischen Hausmüllbestandteilen (Kunststoff, Folien- und Holzreste, Schrott, Gummi, Papier, Glas, Textilien usw.).
An der Deponiebasis stehen Auenlehme und bis zu 3 m mächtige Auensande an. Der Übergang in die tragfähige Verwitterungsdeckschicht des Unteren Keupers, die aus zersetzten und teils umgelagerten Sandsteinen besteht, liegt im Sicherungsbereich bei ca. 7 m u. GOK.
Sanierungsplanung
Für die Vorplanung wurde im Jahr 2017 eine Bestandsvermessung durchgeführt und ein digitales Geländemodell erstellt. Im August 2019 wurde die PeTerra Gesellschaft für Altlastenmanagement, Umwelt- und Geotechnik mbH, Kitzingen von der Stadt Prichsenstadt mit den Planungs- und Sachverständigenleistungen der Gesamtmaßnahme beauftragt: Entwurfs-, Genehmigungs- und Ausführungsplanung, Ausschreibung, fachgutachterliche Überwachung, örtliche Bauüberwachung, Bauoberleitung, Koordination gem. TRGS 524, Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination.
Zur Abschätzung des Lebensraumpotenzials für streng geschützte Tier- und Pflanzenarten und zur Erfassung möglicher Vorkommen wurde eine Begehung des Plangebietes durchgeführt und die Befunde in einem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag bewertet.
Im Dezember 2019 wurde auf Basis der Baugrunderkundung eine Entwurfsplanung angefertigt und die Ufermauer erdstatisch bemessen. Anfang Februar 2020 erteilte das Landratsamt Kitzingen mit Bescheid die wasserrechtliche Genehmigung. Die Auflagen sowie einige gestalterische Anpassungen wurden in die Genehmigungs- und Ausführungsplanung eingearbeitet. Als Ausführungszeitraum wurden die niederschlagsärmsten Monate August und September vorgegeben.
Vorauseilend wurden Anfang Februar 2020 unter Beachtung der Schutzzeiten das Baufeld beräumt und die erforderlichen Baumfällarbeiten durchgeführt.
Die Vergabe der Leistungen für die Sicherung der ehemaligen Hausmülldeponie erfolgte nach Öffentlicher Ausschreibung gemäß VOB Teil A im Juli 2020. Entsprechend der Vergabeempfehlung wurde die RAAB Baugesellschaft mbH & Co KG, Ebensfeld mit der Ausführung beauftragt.
Ausführung und Umfang der Maßnahme
Das Sicherungssystem besteht aus einer verlorenen Spundwand als Kolkschutz am Mauerfuß und einer Schwergewichtsmauer zur Ufersicherung im Prallhangbereich.
In Abbildung 3 ist ein Regelquerschnitt mit den erforderlichen Sicherungskomponenten dargestellt.
Abb. 3 Profilschnitt mit Blocksatzverbau und Spundwand
Für die Errichtung der einzeiligen Schwergewichtsmauer wurden Blockgrößen der ungefähr rechtwinklig gespaltenen bzw. abgebohrten Jurakalksteinblöcke von 140 cm x 80 cm x 80 cm (Länge, Breite, Höhe) eingesetzt.
Die rund 33 m lange gesicherte Deponieböschung kann dem Bestandsplan in Abbildung 4 entnommen werden.
Abb. 4 Bestandsplan nach Fertigstellung der Sicherung
Mit den Sicherungsmaßnahmen konnte zum einen die langfristige Standsicherheit der gesamten Böschung geschaffen und sichergestellt werden sowie zum anderen das Ausmaß der Eingriffe in den Deponiekörper auf das erforderliche Minimum reduziert werden.
Im Einzelnen waren folgende Arbeitsschritte erforderlich:
- Selektiver Ausbau der alten Big Bag - Steinpackung und Profilierung der temporären Uferböschung,
- Einbringen der Spundwand und offene Wasserhaltung,
- Blockweise Herstellung des bewehrten Betonfundaments,
- Errichtung Blocksatz erste und zweite Reihe mit Horizontalversatz und Hinterfüllung mit Dränbeton,
- Versetzen der Steinblöcke 3. und 4. Reihe im konstruktiven Dränbetonbett,
- Hinterfüllung der Schwergewichtsmauer mit unbelastetem Liefermaterial natürlicher Herkunft, einhaltend LAGA Z0,
- Anschütten des Blocksatzfußes im Gewässerbereich mit Wasserbausteinen,
- Anpassung des Geländeanschlusses, Oberbodenauftrag und Herstellung einer Schotterrasenfläche,
- Ansaat und Setzen von Weidenbüschen und Errichtung eines Forstzauns als temporäre Absturzsicherung.
Abb. 5 Fundamentherstellung
Bodenabtrag und Materialselektion
Alle Abtrags- und Aushubarbeiten mit Eingriffen in den Deponiekörper wurden fachgutachterlich überwacht und begleitet. Die Materialseparation wurde anhand visueller Kriterien vorgegeben und gesteuert.
Es fielen folgende Materialien an:
- 60 m³ Füllmassen der Big Bags und Wasserbausteine
- 20 m³ Mutterboden und unbelastete Böden aus der Überdeckung des Müllkörpers
- 50 m³ Auensande vom Fundamentaushub
- 200 m³ Deponat
Das Füllmaterial der Big Bags (Vorabsieb Steinbruchmaterial natürlicher Herkunft) war organoleptisch unauffällig, frei von Fremdanteilen und konnte daher für die Hinterfüllung des Bauwerks vollständig wiederverwendet werden. Die Wasserbausteine wurden im Flussbett wieder eingebaut.
Der Mutterbodenabtrag wurde nach Fertigstellung im Bereich der Böschung oberhalb der Blocksatzmauer wieder aufgebracht und angedeckt.
Abfalldeklaration und Verwertung
Auensande
Die Auensande natürlichen Ursprungs waren nach LAGA als Z1.1 Material einzustufen und konnten aufgrund der vor Ort gegebenen Standortkriterien als Zuschlag für die Schotterrasenfläche verwertet werden.
Deponat
Auf Grundlage der Abfalldeklaration des Deponats, das die Zuordnungswerte für die Deponieklasse II einhält und der Materialzusammensetzung mit ca. 20 % Bauschutt- und ca. 15 - 20 % hausmülltypischen Fremdanteilen wurde eine Behandlung mit anschließender Verwertung veranlasst.
Die Offsite-Behandlung des Deponats erfolgte in der rund 50 km entfernten Recyclinganlage bei Helmstadt. Es wurde eine Schwerlastsiebanlage mit Magnetabscheider und nachgeschaltetem Windsichter sowie ein Sortierband zum manuellen Auslesen von Schwarzdeckenresten eingesetzt (siehe Abb. 6).
Abb. 6 Behandlung des Deponats / manuelle Auslese von Schwarzdeckenresten am Sortierband
Die Aufbereitung der 294,13 Tonnen Deponat durch Klassierung konnte mit einer Durchsatzleistung von ca. 22 Tonnen je Stunde in zwei Tagen abgeschlossen werden.
Als vorteilhaft für das gesamte Materialhandling bei der Behandlung erwies sich der relativ trockene Zustand des Deponiematerials.
Abfall- und Grundwasseruntersuchungen
Relevante Schadstoffgehalte im Grundwasser, die auf die ehemalige Hausmülldeponie zurückzuführen wären, wurden auch bei den begleitenden Grundwasseruntersuchungen zu Beginn und nach Abschluss der Sicherungsmaßnahmen nicht festgestellt. In allen analysierten Grundwasserproben wurden die Stufenwerte der Leitparameter nach Tabelle 4 des LfW Merkblatts 3.8/1 unterschritten.
Insgesamt betrachtet hat sich das Ergebnis der Detailuntersuchung vom Mai 2013 bestätigt. Für die Altablagerung der ehemaligen Hausmülldeponie Stadelschwarzach sind aus Sicht des Sachverständigen bezüglich des Wirkungspfades Boden-Grundwasser keine weiteren Maßnahmen nach § 2 Abs. 7 oder 8 BBodSchG erforderlich.
Abb. 7 Mit Blocksatzmauer gesicherter Prallhang der ehemaligen Hausmülldeponie
Fazit, Kosten und Ausblick
Unter Einbeziehung der naturräumlichen Randbedingungen sowie durch eine flexible und stets konstruktive Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten konnte die ehemalige Hausmülldeponie Stadelschwarzach vor Erosionsangriffen, die in der Vergangenheit immer wieder bei Hochwasserführung der Schwarzach auftraten, langfristig gesichert und geschützt werden.
Die in einer Bauzeit von nur 8 Wochen durchgeführten Sicherungsmaßnahmen schützen zukünftig und dauerhaft vor Verfrachtungen von Hausmüllbestandteilen und Verunreinigungen des Gewässers. Es ist von einem nachhaltigen Erfolg der Sanierungsmaßnahme auszugehen.
Mit der technisch einwandfreien und sensiblen Umsetzung der geplanten Maßnahmen konnte darüber hinaus der naturnahe Charakter des Flussbereichs der Schwarzach erhalten und nachhaltig gesichert werden.
Die Gesamtkosten der Sicherungsmaßnahme betrugen rd. 330.000 Euro und lagen somit im Bereich der vorab erstellten Kostenschätzung.
Die Erkundung und Sanierung der Altlast “Deponie Stadelschwarzach“ wurde von der Gesellschaft zur Altlastensanierung in Bayern mbH (GAB) im Rahmen des Unterstützungsfonds nach Art. 13 a BayBodSchG zur Erkundung und Sanierung gemeindeeigener Hausmülldeponien in Bayern finanziell gefördert und fachlich begleitet.
Autoren / Bildrechte: Jürgen Kreutlein, Dipl. Geol., Nils Oehler, Dipl.-Ing. / PeTerra Gesellschaft für Altlastenmanagement, Umwelt- und Geotechnik mbH, Kitzingen
Bericht auch in GAB Kompakt 01/2021 veröffentlicht, März 2021