Deponiesanierung neben einem Wohngebiet

Deponiesanierung neben einem Wohngebiet

Am südöstlichen Ortsrand der Gemeinde Apfeltrach (Landkreis Unterallgäu) hatten die Stadt Mindelheim und die Gemeinde Apfeltrach in einer ab ca. 1964 ausgebeuteten Kiesgrube auf einer Fläche von rund 1,2 ha zwischen ca. 1968 und 1977 eine Hausmülldeponie betrieben.

Zeitweise lag in der Kiesgrube der Grundwasserspiegel frei, so dass der Verfüllkörper heutzutage zumindest temporär in direktem Kontakt mit dem Grundwasserkörper steht. Die ehemalige Deponie, die heute auf zwei Privatgrundstücken liegt, grenzt dabei unmittelbar an ein in den 1990er Jahren erschlossenes Wohngebiet an, so dass bereits 1991 erste Bodenluftuntersuchungen im Bereich der Altdeponie zur Beurteilung potenzieller Gasmigrationen durchgeführt wurden. Im Zuge der Erschließung des Baugebiets erfolgte durch die Gemeinde Apfeltrach daher auch die Herstellung eines Gasdrainagegrabens am westlichen Deponierand, um potenzielle Deponiegasmigrationen in das Baugebiet unterbinden zu können.

Bild 1a, Überblick über das Sanierungsgelände

Aus den historischen Akten und den durchgeführten altlastentechnischen Erkundungsmaßnahmen konnte nachvollzogen werden, dass die Hauptablagerungsbereiche für Hausmüll im nordwestlichen Teil der ehemaligen Kiesgrube sowie auch in einem nach Süden vorspringenden Bereich vorliegen. Die Ablagerungsbereiche mit vorwiegend Hausmüll wurden durch eine Schüttung mit Bodenaushub bzw. Abraummaterial voneinander getrennt. Im Rahmen regelmäßig durch den ehemaligen Deponiebetreiber zu veranlassenden Messungen auf Methangasemissionen war festzustellen, dass auch mehr als 40 Jahre nach Beendigung der Hausmülleinlagerung vor allem im südlichen Deponieteil noch mit Methangasemissionen zu rechnen ist. Im Rahmen der nach Aktenlage im Oktober 1977 durchgeführten Rekultivierung war - wie seiner Zeit üblich - eine Rekultivierungsschicht aus vorwiegend bindigem Material in Mächtigkeiten von bereichsweise nur wenigen Dezimetern bis lokal mehr als einem Meter, aufgebracht und die Altdeponie zur nachfolgenden landwirtschaftlichen Nutzung als Grünlandfläche rekultiviert worden.

Bild 1b, Fläche vor der Sanierung mit Beginn der Baustelleneinrichtung

Hydrogeologisch liegt die Altablagerung im Bereich von quartären Hochterrassenschottern, die den nach Osten hin ansteigenden Höhenrücken aufbauen. Im Bereich des Deponiewestrandes gehen die Hochterrassenschotter in Niederterrassenschotter des Mindeltals über. Die Basis der Terrassenschotter liegt in Form von jungtertiären, vorwiegend bindig ausgebildeten sedimentären Ablagerungen vor, die somit auch die Sohlschicht des in den Terrassenschottern vorliegenden Grundwasservorkommens darstellen. Der Grundwasserflurabstand liegt bei Grundwasserhöchstständen entsprechend der topographischen Gegebenheiten zwischen ca. 5,0 m und 11,0 m unter Bestandsgelände vor.

Detailuntersuchung

Eine systematische altlastentechnische Erkundung gemäß den Vorgaben der BBodSchV erfolgte zwischen 1998 und 2018, davon seit 2012 durch das Baugrundinstitut Kling Consult GmbH, Krumbach. Im Zuge langjähriger Grundwasseruntersuchungen wurde nachgewiesen, dass im Abstrom eine erhebliche Grundwasserbelastung durch deponiebürtige Schadstoffe vorliegt. So lag die Arsenkonzentration im Grundwasserabstrom – bei unauffälligen Konzentrationen im An- und Seitenstrom – seit 2008 konstant über dem Stufe-1-Wert und immer wieder auch über dem Stufe-2-Wert (zwischen rd. 50 und 75 µg/l). Stufe-1-Wert-Überschreitungen wurden auch dauerhaft durch Bor und nahezu alle Basisparameter sowie teilweise durch BTEX, PAK und Barium ermittelt.

Im Rahmen von Immissionspumpversuchen wurde im worst-case-Ansatz jedoch rechnerisch ein Austrag von jährlich nur etwa 2,6 g Arsen bzw. nur 1,2 g BTEX abgeschätzt. Prüf- und Maßnahmenwerte gemäß der BBodSchV für den Wirkungspfad Boden-Nutzpflanze wurden in der Rekultivierungsschicht nicht überschritten.

Gemäß den damals gültigen rechtlichen und fachlichen Grundlagen bedeutete das Vorliegen einer erheblichen Grundwasserverunreinigung aufgrund von Stufe-2-Wert-Überschreitungen, dass i. d. R. Maßnahmen zur Grundwassersanierung erforderlich wären. Aufgrund des geringen Schadstoffaustrags und der Tatsache, dass die Grundwasserbelastung im näheren Umfeld räumlich abgegrenzt werden konnte, erschien die Durchführung von Grundwassersanierungsmaßnahmen jedoch unverhältnismäßig. Es wurde vermutet, dass die Grundwassersituation bereits durch quellenorientierte Maßnahmen deutlich verbessert werden kann.

Aufgrund der erheblichen Grundwasserbelastung wurde die Stadt Mindelheim als hauptsächliche Betreiberin der Hausmülldeponie von der Regierung von Schwaben als zuständiger Behörde zur Sanierung bzw. Sicherung der Altablagerung aufgefordert.

Sanierungsuntersuchung

Zur Ermittlung der am besten geeigneten und wirtschaftlichsten Sanierungsmaßnahme hat die Kling Consult GmbH im Jahr 2019 eine Sanierungsuntersuchung nach BBodSchV durchgeführt. Im Ergebnis der Variantenbetrachtung wurde die Sicherung des Deponiekörpers durch den Aufbau einer qualifizierten Oberflächenabdichtung vorgeschlagen und behördlicherseits genehmigt. Damit sollte die Mobilisierung deponiebürtiger Schadstoffe aus dem Deponiekörper durch einsickerndes Oberflächenwasser unterbunden werden. Nachdem aufgrund der seit Stilllegung der Deponie eingetretenen Setzung des Verfüllkörpers in einer Größenordnung zwischen 0,5 m bis 1,0 m und dessen Lage nahe eines Hangfußes eine abflusslose, schüsselartige Senke entstanden war, musste davon ausgegangen werden, dass im Deponiebereich erhebliche Mengen Oberflächen- bzw. Sickerwasser in den Untergrund eindringen, weshalb eine erhöhte Mobilisation von Schadstoffen aus dem Deponat mit einem entsprechenden Eintrag in das Grundwasser anzunehmen war.

Behördlicherseits ist Anfang des Jahres 2020 die Abdeckung der Altdeponie mit bindigem, sehr schwach durchlässigen Material in einer Schichtstärke von mindestens 0,4 m mit einer Überdeckung durch eine 30 cm starke dränwirksame Zwischenschicht und einer Rekultivierungsschicht von mindestens 70 cm gefordert worden. Zum Ausgleich der aufgetretenen Geländesackungen sollte eine entsprechende Geländeprofilierung durch Ausgleichsmaterial erfolgen. Hierfür durften auch organoleptisch unauffällige Ersatzbaustoffe bis zum Zuordnungswert Z 2 der LAGA M20 eingesetzt werden. Das im Bereich der Deponieabdeckung anfallende Oberflächenwasser sollte gesammelt und westlich des Deponiekörpers in einer entsprechenden Rigole in den Terrassenschottern versickert werden. Im Hinblick auf die noch vorhandene Methangasbildung wurde festgelegt, dass in den Deponieabschnitten, in welchen Hausmüllablagerungen erfolgt sind, insgesamt fünf passiv wirkende Überflurbiofilter zu errichten sind, deren Sohle an den Müllkörper angebunden wird. Der vorhandene Gasdrainagegraben wurde somit als obsolet angesehen und zum Rückbau freigegeben. Mit den Leistungen zur Planung, Ausschreibung und Überwachung der Deponiesanierung wurde nach Durchführung des entsprechenden Vergabeverfahrens von der Stadt Mindelheim im Sommer 2020 die Kling Consult GmbH beauftragt.

Sanierungsplanung

Im Zuge der Entwurfsplanung sind in den Randbereichen der Deponie ergänzende Schürfe zur genauen Abgrenzung des Deponieumgriffes durchgeführt worden. Ferner wurde nach Abstimmung mit den Fachbehörden festgelegt, dass anstelle der mineralischen Dichtungs- und Entwässerungsschicht eine geosynthetische Tondichtungsbahn (GTD) mit LAGA-Zulassung und ein Kunststoffdränelement (KDE) mit BAM-Zulassung verwendet und mit einer 1 m mächtigen Rekultivierungsschicht überdeckt werden.

Damit konnte der Gesamtaufbau der Abdeckung um mindestens ca. 40 cm reduziert werden, um die sanierte Altdeponie besser in das Gesamtlandschaftsbild einzufügen, natürliche Ressourcen zu schonen und schließlich eine höhere Akzeptanz der angrenzenden Anwohner für die Maßnahme erreichen zu können.

Die Sanierungsplanung (Stufe Genehmigungsplanung) wurde im Sommer 2021 fertig gestellt und seitens der Regierung von Schwaben im November 2021 gegenüber der Stadt Mindelheim per Bescheid zur Umsetzung angeordnet.

Bild 2, Übersichtsplan des Sanierungsbereiches

Bild 3, Aufbau des Abdichtungssystems

Öffentlichkeitsarbeit

Die Information der Öffentlichkeit erfolgte mit mehreren Informationsveranstaltungen bereits im Zuge der Planungen und teilweise unter Beteiligung der GAB. Außerdem wurden ergänzende Öffentlichkeitstermine vor Ort während der Baumaßnahme veranlasst. Trotz dieser intensiven Bemühungen wurde die Umsetzung der Maßnahme durch Bürger in der geplanten Form grundsätzlich und vor allem dahingehend kritisch hinterfragt, dass im Sanierungsplan „lediglich“ eine qualifizierte Abdeckung anstelle einer wesentlich aufwendigeren und teureren Sanierung mittels Bodenaustausch vorgesehen war. Auch war die Akzeptanz der Bürgerschaft und der Presse hinsichtlich der Verwendung von Z 2-Ersatzbaustoffen zur Verwendung als Profilierungsschicht unterhalb der GTD gering. Es ging um insgesamt rund 10.250 m³ Material, wovon rund 1.600 m³ aus unvermeidbaren Umlagerungen des vorhandenen Deponiekörpers stammten. Hier war eine intensive Aufklärungsarbeit gegenüber der Öffentlichkeit und der Presse sowohl hinsichtlich der gemäß Bodenschutzrecht seitens der Behörde anzuwendenden Abwägungs- und Ermessensausübung als auch dahingehend erforderlich, dass die Verwertung derartiger Ersatzbaustoffe und deren gesicherter Einbau unterhalb der GTD natürliche Ressourcen schont, da die für die Baumaßnahme benötigten Erdbaustoffe nicht aus umliegenden Gruben gewonnen werden müssen.

Sanierungsdurchführung

Die Bauleistungen zur Herstellung der Oberflächenabdichtung wurden nach nationaler öffentlicher Ausschreibung nach VOB an die Fa. Geiger Umweltsanierung GmbH & Co. KG, Oberstdorf vergeben. Nach Herstellung der Baustelleneinrichtung und Durchführung vorbereitender Maßnahmen im Januar und Februar 2022 erfolgten zwischen März und September 2022 der Einbau der Versickerungsanlage, die Herstellung eines Probefeldes, die Geländeprofilierung und der lagenweise Aufbau des Abdichtungssystems sowie die Herstellung von Zufahrt und umlaufendem Randgraben zur Ableitung des Oberflächenwassers. Die hierfür erforderliche Fremdüberwachung wurde von den Firmen Crystal Geotechnik GmbH, Utting a. A. (mineralische Baustoffe; ferner Standsicherheitsberechnung und Überwachung Einbau sowie Freigabe Versickerungsanlage) und Siebert + Knipschild GmbH, Oststeinbek/München (Geokunststoffe) wahrgenommen.

Bild 4, Errichtung des Abdichtungssystems

Bild 5, Einbau der Versickerungsanlage

Bild 6, Einbau eines Biofilters

Abschließend wurden im Oktober und November 2022 die Restarbeiten (Ansaat, Wiederherstellung angrenzender Wirtschaftsweg, Rückbau Baustraße und Baustelleneinrichtungsfläche etc.) umgesetzt, so dass die sanierte Fläche im Jahr 2023 wieder als (extensive) Mähweide genutzt werden konnte.

Bild 7, Sanierte Fläche im Juni 2023

Kosten und Finanzierung

Die Gesamtkosten für die Sanierung (Sanierungsarbeiten, sämtliche Ingenieur-, Sachverständigen- und Analytikleistungen, Nebenkosten) belaufen sich auf rund 1,45 Mio. Euro brutto. Auf Basis eines zwischen der Stadt Mindelheim und der Gemeinde Apfeltrach geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrages wurden diese – wie auch die während der Erkundungsphase angefallenen Kosten - im Verhältnis 75 % zu 25 % zwischen beiden Deponiebetreibern aufgeteilt. Hiervon mussten beide Betreiber ihren jeweils gesetzlich festgelegten Eigenanteil beisteuern, der Großteil der Untersuchungs- und Sanierungskosten wurde von der GAB über den Unterstützungsfonds für gemeindeeigene Hausmülldeponien nach Art. 13a BayBodSchG übernommen.

Fazit und Ausblick

Dank der hervorragenden Zusammenarbeit aller beteiligten Stellen (vorgenannte Firmen, Stadt Mindelheim, Gemeinde Apfeltrach, Regierung von Schwaben, Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaftsamt Kempten, GAB) kann auf einen trotz der Auswirkungen der Ukrainekrise und der abklingenden Coronapandemie erfolgreichen, nahezu störungsfreien Bauablauf zurückgeblickt werden. Als Fazit bzgl. der Öffentlichkeitsarbeit ist zu ziehen, dass insbesondere sowohl im Hinblick auf die Akzeptanz von Sicherungsmaßnahmen als auch bezüglich des ressourcen- und klimaschonenden Einsatzes von Deponieersatzbaustoffen sehr hoher Wert auf eine intensive Information und Aufklärung der ggf. betroffenen Personenkreise gelegt werden sollte. Inwieweit durch die Herstellung der qualifizierten Oberflächenabdichtung eine dauerhafte Reduzierung des Schadstoffeintrags in das Grundwasser erreicht wird, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abschätzen. Dies wird anhand der halbjährlich stattfindenden Grundwasseruntersuchungen im Zuge der Deponienachsorge bewertet werden müssen.

Autor: Jan Peter Burghard, Kling Consult GmbH

Bildrechte: Kling Consult GmbH

Bericht auch in GAB Kompakt 02/2023 veröffentlicht, September 2023