Deponiesanierung in einem ehemaligen Bergbaugebiet

Deponiesanierung in einem ehemaligen Bergbaugebiet

Sanierung der ehemaligen Hausmülldeponie „Erzhülle“ der Stadt Sulzbach–Rosenberg

30 Jahre nach Ende der Ablagerungen und unter dichtem Gehölzaufwuchs kaum mehr zu erkennen, erfuhr die ehemalige Hausmülldeponie „Erzhülle“ der Stadt Sulzbach-Rosenberg in den zurückliegenden beiden Jahren weitreichende Veränderungen.

Auf einer Fläche von rund 50.000 m² mit nahezu 50 m mächtigen Auffüllungen ist nach umfangreichen Vorerkundungen eine Oberflächenabdichtung mit Dichtungskontrollsystem errichtet worden (Phase I), um den über die Jahrzehnte gebildeten Sickerwassereinstau von rund 60.000 m³ von seiner wesentlichen Ursache (Niederschlag) abkoppeln und ab 2023 entnehmen, behandeln und ableiten zu können (Phase II).

Historie und Eckdaten

Am Standort der „Erzhülle“ war durch den seit dem Mittelalter betriebenen Eisenerzbergbau eine rund 25 m tiefe Geländemulde (Pinge) entstanden. Diese war ab 1962 als Hausmülldeponie der Stadt Sulzbach-Rosenberg genutzt und bis 1977 etwa bis zur ursprünglichen Geländehöhe mit ca. 340.000 m³ Hausmüll mit Hochofenschlacke, gewerblichen und industriellen Abfällen sowie Klärschlamm verfüllt worden.

Anschließend und bis zur Schließung im Jahr 1990 diente das Areal als Bauschuttdeponie. Es entstand eine bis zu 22 m mächtige Auffüllung, das sind rund 423.000 m³. Auf dem mit Ablagerungsende verbliebenen plateauförmigen, randlich steil geböschten Deponieareal entwickelte sich über 30 Jahre eine dichte Gehölzvegetation.

Deponieböschung vor Sanierung

Erkundungsgeschichte und Sanierungskonzept

Die Erkundung erstreckte sich über nahezu 20 Jahre, beginnend mit ersten Abhilfemaßnahmen in den Jahren 2001 bis 2003. Verstärkt durch den zwischenzeitlich eingerichteten Unterstützungsfonds nach Art. 13a BayBodSchG wurden im Zeitraum von 2010 bis 2015 eine Historische Erkundung, eine Orientierende Untersuchung und eine Detailuntersuchung durchgeführt, die zeigten, dass

  • die Hausmüllablagerung ohne Deponiebasisabdichtung und Sickerwasserfassung direkt auf dem natürlich anstehenden, bindigen Untergrund erfolgte,
  • innerhalb der geringdurchlässigen Pinge ein Wasseraufstau die Hausmüllablagerungen bis zur natürlichen Geländehöhe erfüllt,
  • das eingestaute Wasser sich ohne nennenswerte seitliche Zuflüsse aus dem Niederschlag speist,
  • die stofflichen Eigenschaften des Sickerwassers, durch Hausmüll und Bauschutt charakterisiert, eine ausgeprägte anorganische und organische Schadstoffbelastung aufweisen,
  • Setzungen ungeachtet der Lage im ehemaligen Bergbaugebiet moderat bei ca. 6 - 12 mm/Jahr liegen.

Die Sanierungsuntersuchung (2018) sah als wesentliche Elemente

  • in Phase I die Errichtung einer Oberflächenabdichtung in Anlehnung an den DK I - Standard nach Deponieverordnung (DepV) als Sicherungsmaßnahme gegenüber weiterem Niederschlagswasserzutritt und
  • in Phase II die Entnahme und Abreinigung des innerhalb der Deponie aufgestauten Sickerwassers als Dekontaminationsmaßnahme gegenüber der bestehenden Grundwasserverunreinigung vor.

Sanierungsplanung

Mit der Sanierungsplanung (2020) wurde das Sanierungskonzept weiter präzisiert und in mehreren Projektbesprechungen modifiziert:

  • der nicht überall klar definierte Rand der ehemaligen Hausmüllablagerungen wurde über stereoskopische Auswertung von historischen Luftbildern und ergänzende Erkundungsbohrungen eingegrenzt,
  • die ursprünglich vorgesehene mineralische Oberflächenabdichtung wurde auf eine Kunststoffdichtungsbahn (KDB) umgestellt und um komplementäre Sicherheitseinrichtungen ergänzt (Kunststoffgeogitter, Mächtigkeiten Trag-Ausgleichsschicht, Dichtungskontrollsystem, verdichtete Setzungspegel),
  • naturschutzfachliche Belange wurden in einem Landschaftspflegerischen Begleitplan (LBP) geregelt,
  • vorbereitend zur Sanierungsphase II wurden mehrwöchige Pumpversuche an bestehenden Deponiemessstellen zur Erkundung der hydraulischen Eigenschaften des Sickerwasserkörpers durchgeführt,
  • aufgrund fehlender Behandlungskapazitäten in der ursprünglich vorgesehenen externen Sickerwasserbehandlungsanlage erfolgte zudem die Planung und funktionale Ausschreibung einer on-site-Behandlungsanlage.

Die an das Deponiegelände angrenzenden Nutzungen, wie Kleingartenanlagen am Böschungsfuß, ein denkmalgeschützter jüdischer Friedhof, öffentliche Zufahrtsstraßen, wurden über ein Beweissicherungskonzept erfasst, das mit der Stadt Sulzbach-Rosenberg aufgestellt und mit den Eigentümern, Pächtern und Aufsichtsbehörden abgestimmt worden war.

Der so entwickelte Sanierungsplan Phase I wurde mit Bescheid des Landratsamts Amberg-Sulzbach als Genehmigungsbehörde im Dezember 2020 für verbindlich erklärt und im Juli 2022 um die Phase II vervollständigt.

Baufeldvorbereitung

Im Vorfeld der Bauarbeiten wurde die Rodung des Gehölzbestands innerhalb des naturschutzrechtlichen Zeitfensters auf Grundlage einer vorgezogen erteilten Genehmigung fristgerecht vor Ende Februar 2021 umgesetzt.

Aufgrund der nachgewiesenen Habitatstrukturen waren zudem artenschutzrechtliche Belange, wie Vergrämung von Zauneidechsen, mit CEF-Maßnahmen umzusetzen.

 

Deponiesteilböschung nach Rodung

Abfallumlagerung

Die ca. 32° steilen Böschungen der Deponie mussten auf ein Gefälle von 1:3 (ca. 18°) abgeflacht werden, um ein standsicheres Oberflächenabdichtungssystem errichten zu können. Die ebenen Plateauflächen nahmen das abgetragene Material auf, womit volumenneutral, d. h. ohne Entsorgung, die erforderliche Profilierung unter lagenweiser Verdichtung hergestellt werden konnte.

Von April bis August 2021 erfolgte die Abfallumlagerung, ca. 40.000 m³, entsprechend der Nutzungshistorie überwiegend Bauschutt und Bodenaushub. Hausmüll wurde nur vereinzelt  angetroffen (Kunststofffolien, Textilien, Glas, u. ä.). Metallischer Schrott wurde zur Verwertung separiert. Relevante Geruchsemissionen traten nicht auf.

Die plangerechte Umprofilierung erfolgte mittels GPS-gestützter Maschinensteuerung, im Randbereich auch manuell, zur Anpassung an die tatsächlich angetroffenen benachbarten Geländehöhen. Auf dem vorbereiteten, freigegebenen Deponieplanum wurde anschließend abschnittsweise das Oberflächenabdichtungssystem aufgebracht.

Profilierungsarbeiten

Regeldetail zum Aufbau der Oberflächenabdichtung

Trag- und Ausgleichsschicht

Als erste Komponente wurde eine 0,5 m starke Ausgleichsschicht, gasdurchgängig mit Zuführung zu einem Biofilter, aufgebracht. Eine 0,1 m starke Tragschicht bildet, getrennt durch ein Geotextil, als zweite Komponente das Auflager der KDB.

Zum Einsatz kamen Deponieersatzbaustoffe: gesiebte Schlacke aus Hausmüllverbrennungsanlagen, regionale Hochofenschlacke aus dem Straßenrückbau und Kupolofenschlacke aus der Gusseisenerzeugung (Ausgleichsschicht) sowie Gießereialtsand (KDB-Auflager). Alle Materialien wurden gemäß Qualitätsmanagementplan (QMP) Eignungsprüfungen unterzogen, einzuhalten waren u. a. die DK 0-Zuordnungswerte.

Zur Aufnahme von setzungsbedingten Spannungen wurde an der Basis der Trag-Ausgleichschicht ein Kunststoffgeogitter eingebaut.

Geokunststoffkomponenten

Anfang September 2021 konnte mit der BAM-konformen Verlegung der 2,5 mm KDB in einem ersten Teilbereich begonnen werden. Darauf wurde als Entwässerungsschicht eine BAM-zugelassene, eignungsgeprüfte geosynthetische Drainmatte verlegt.

Als Komponenten des Dichtungskontrollsystems beidseitig der KDB wurden die Sensoren in der unterlagernden Auflagerschicht, die Spannungsgeber im überlagernden Rekultivierungsboden eingebaut. Etwaige Fehlstellen der KDB können so durch Anomalien im elektrischen Feld lokalisiert werden.

Dichtungsaufbau mit Ersatzbaustoffen unter KDB

Rekultivierungsboden

Nach Fertigstellung einzelner Teilbereiche der KDB konnte im September 2021 mit dem Aufbringen der Rekultivierungsschicht in der geforderten Mindestmächtigkeit von 1 m begonnen werden. Zum Einsatz kam vorrangig regionales Bodenmaterial nach vorangegangener Eignungsprüfung gemäß QMP, u. a. bezüglich der Zuordnungswerte nach Deponieverordnung (Anhang 3, Tabelle 2, Spalte 9).

Mit Erosionsschutzmatten belegte Deponiesteilböschung

In den Böschungsbereichen wurden die fertig gestellten Rekultivierungsflächen mit Erosionsschutzmatten belegt und mit schnell keimender Nassansaat begrünt.

Die Begrünung der Restflächen erfolgt nach Abschluss der Bauarbeiten. Entwicklungsziel gemäß Landschaftspflegerischem Begleitplan ist Sandmagerrasen im erosionsunempfindlichen Plateaubereich und artenreiches Extensivgrünland in den Böschungsbereichen. Die Randbereiche der Deponie werden mit mesophilen Hecken/Gebüschen bepflanzt.

Fremdüberwachung

Vorbereitung und Umsetzung der Sanierung standen gemäß Anhang 1, Nr. 2.1 DepV neben der Eigenüberwachung des ausführenden Unternehmens und der behördlichen Kontrolle unter der Fremdüberwachung durch zugelassene Fachbüros für geotechnische, kunststofftechnische und vermessungstechnische Fragestellungen. Art und Umfang der Prüfungen waren in einem Qualitätsmanagementplan (QMP) festgelegt, der im Verlauf der Bauarbeiten mehrfach fortgeschrieben wurde.

Grundwassermonitoring

Die Sanierungsmaßnahme wurde seit Juli 2021 durch ein zeitlich und stofflich abgestuftes Grundwassermonitoring an acht Grundwassermessstellen begleitet. Durch die Sanierungsmaßnahme waren keine nachteiligen Auswirkungen der Bauarbeiten festzustellen.

Ausblick

Parallel zu den Sanierungsarbeiten der Phase I ist auf dem Deponiegelände eine Sickerwasserbehandlungsanlage mit Anschluss an die städtische Kanalisation errichtet worden, die ab April 2023 in Betrieb genommen werden soll.

Resümee

Anders als zunächst erwartet, erwiesen sich die Abfallumlagerung und die angrenzenden Nutzungen, wie auch die Corona-Pandemie, nicht als problematisch. Den am Markt verknappten Kunststoffprodukten und den damit einhergehenden stark gestiegenen Preisen für die Abdichtungskomponenten war durch frühzeitige Bestellung und Lagerhaltung auf dem Deponiegelände begegnet worden.

Im Fokus standen vielmehr die Verwendung von Deponieersatzbaustoffen aus anfangs unterschiedlichster Herkunft, sowie die bodenschonende Herstellung der Rekultivierungsschicht.

Mit der Verwendung von HMV-, Hochofen- und Kupolofenschlacke sowie Gießereialtsand unterhalb der Dichtung konnten rund 30.000 m³ Material verwertet und Primärrohstoffe geschont werden. Um die gemäß QMP geforderten Qualitätskriterien einzuhalten, waren im Gegenzug wiederholt umfangreiche Eignungsnachweise zu führen. Die Materialien mussten zum Teil vor Anlieferung auf die Baustelle zur Einhaltung einzelner bodenmechanischer Parameter extern mechanisch aufbereitet werden. Der bodenmechanischen Eignung standen in der Regel deren stoffliche Gehalte entgegen, die häufig nahe an der projektspezifisch zulässigen Begrenzung lagen.

Eine besondere Herausforderung bei der Herstellung der Rekultivierungsschicht stellten die witterungsabhängigen Parameter Wassergehalt und Konsistenz, sowie die Erfüllung der nutzbaren Feldkapazität (nFK) dar. Diese schränken zum einen die witterungs- und saisonal bestimmten Zeitfenster für einen fachgerechten, verdichtungsarmen Einbau des Bodens ein, zum anderen kann eine Mächtigkeitszulage zur Erfüllung der nutzbaren Feldkapazität erforderlich werden. 

Mit der Oberflächenabdichtung (Phase I der Sanierung) wurde eine wesentliche Voraussetzung für die sich nun abschließende Entwässerung (Phase II) der Deponie geschaffen. Die wirtschaftlich, wie unter dem Blickwinkel der Schonung natürlicher Ressourcen, vorteilhafte Verwertung von Deponieersatzbaustoffen ist eng verknüpft mit einem erhöhten Aufwand an die Nachweisführung (Eignungsprüfung) und die Überwachung (Fremdprüfung) der Eignung einschließlich aller qualitativer und zeitlicher Unwägbarkeiten.

Projektbeteiligte:

Bauherr: Stadt Sulzbach-Rosenberg

Planung und Bauüberwachung: R & H Umwelt GmbH, Nürnberg, mit Coplan AG, Weiden

Bauausführung: Geiger Umweltsanierung GmbH & Co. KG mit Fachverleger F+T Müller GmbH

Fremdprüfung: Dr.-Ing. Johann Spotka GmbH (Geotechnik), Siebert+Knipschild GmbH (Kunststoffe), Vermessungsbüro Kustner (Vermessung)

Gefördert aus Mitteln des Unterstützungsfonds nach Art. 13a BayBodSchG über die GAB

Autor / Bildrechte:

Autor: Florian Nitsch und Manfred Eberle, R & H Umwelt GmbH

Bildrechte: R & H Umwelt GmbH, Titelbilder: "Geobasisdaten: Bayerische Vermessungsverwaltung – www.geodaten.bayern.de (Daten verändert), Lizenz: CC BY 4.0"

Bericht auch in GAB Kompakt 01/2023 veröffentlicht, April 2023