Sachverständigenfortbildung 2022 - Bericht
Die GAB veranstaltete gemeinsam mit der Bayerischen Verwaltungsschule (BVS), in Kooperation mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) sowie dem Ingenieurtechnischen Verband für Altlastenmanagement und Flächenrecycling e. V. (ITVA), Regionalgruppe Bayern, auch in diesem Jahr eine Fortbildung für Sachverständige nach § 18 BBodSchG. Das Seminar fand coronabedingt zum zweiten Mal als reine Online-Veranstaltung statt und erreichte mit diesem Format erneut rund 150 Teilnehmende.
Zu Beginn der Veranstaltung begrüßten Herr Dr. Andreas Hofmann, Geschäftsführer der GAB, Herr Peter Nickol, Vertreter der ITVA Regionalgruppe Bayern und Herr Dr. Gernot Huber, Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU) die Teilnehmenden.
Herr Dr. Gernot Huber berichtete in Kürze über Neuerungen im LfU. Derzeit werden sieben der acht bayerischen LfU-Merkblätter überarbeitet. Diese stehen voraussichtlich im August 2023 mit Inkrafttreten der neuen Mantelverordnung zur Verfügung. Herr Dr. Huber hob hervor, dass in die Aktualisierung des Merkblatts 3.8/1 u. a. eine Änderung des Wertesystems sowie die Durchmischungszone verbunden mit einer Frachtbetrachtung eingehen werde. Das Merkblatt 3.8/8 soll in Zukunft Ausführungen zur Resorptionsverfügbarkeit enthalten. Herr Dr. Huber wies zudem darauf hin, dass der Bundes-Leitfaden zur PFAS-Bewertung in Bayern noch nicht eingeführt sei und bis auf Weiteres die Leitlinien zur vorläufigen Bewertung von PFC-Verunreinigungen in Wasser und Boden des LfU gelten.
Im ersten Themenblock „Sachverständige und Untersuchungsstellen“ stellte Herr Klaus Bücherl, V18, die im Jahr 2015 als zentrale Interessensvertretung gegründete V18 Vereinigung der Sachverständigen und Untersuchungsstellen nach § 18 BBodSchG und ihre Ziele vor. Neben der Beratung der Mitglieder seien dies die Öffentlichkeitsarbeit im Interesse des Berufsstandes, die Förderung eines fairen und transparenten Wettbewerbs, die Förderung der bundesweit einheitlichen Umsetzung des § 18 BBodSchG, Stellungnahmen im Rahmen von Anhörungen und bei der Entwicklung neuer Arbeitshilfen, Verordnungen und Leitfäden sowie die Mitwirkung in Arbeitsgruppen. Hervorzuheben sei auch der fachliche Austausch in Form von kollegialen Projektbesprechungen und die geplante Stärkung der Nachwuchsförderung. Hierzu soll ein Fortbildungsprogramm aufgelegt werden, mit dem junge Kolleginnen und Kollegen auf die Zulassung als Sachverständige im Rahmen von Workshops im kleinen Teilnehmerkreis vorbereitet werden.
Anschließend berichtete Herr Dr. Felix Geldsetzer, LfU Hof, über Aktuelles aus der Zulassungsstelle: Untersuchungsstellen. Aktuell gibt es 60 durch Bayern zugelassene Untersuchungsstellen, wovon 7 ihren Sitz in anderen Bundesländern haben. Hauptthema seines diesjährigen Vortrags war die Vorstellung von Ringversuchen als Instrument der externen Qualitätssicherung. So schilderte er die technische Umsetzung und erste Erkenntnisse der Ringversuche Schurf-Probenahme (38 Teilnehmerteams, Durchführung durch ITVA im Auftrag des LfU), Baggerschaufel-Beprobung sowie des UBA-Ringversuchs zur Oberbodenprobenahme.
Schurf-Probenahme Ringversuch (Foto: Bayerisches Landesamt für Umwelt)
Die Präsentation der Ergebnisse und Best-Practices, so Herr Dr. Geldsetzer, werde auf dem diesjährigen GAB-Symposium im Juni 2022 erfolgen, zudem werde der Bericht kostenfrei im Internet veröffentlicht werden. Des Weiteren berichtete der Referent über die Beteiligung der Zulassungsstelle des LfU an der Überarbeitung des Fachmoduls Boden und Altlasten 2012, wies auf den geplanten Aufbau eines Internet-basierten Informationssystems zur Qualitätssicherung in der Altlastenbearbeitung hin und teilte mit, dass die Aktualisierung des LAWA-AQS-Merkblatts P 8.2 zur Probenahme von Grundwasser auf Basis der neu veröffentlichten DIN 38402-13 in Vorbereitung sei.
Im folgenden Vortrag berichtete Frau Linda Dworak, LfU Hof, über Aktuelles aus der Zulassungsstelle: Sachverständige. Zu Beginn zeigte Frau Dworak, dass 50 % der insgesamt 129 in Bayern zugelassenen Sachverständigen 59 Jahre und älter seien. Der Großteil der Sachverständigen sind für die SG2 und SG5, gefolgt von SG1 zugelassen. Für SG3, SG4 und SG6 gibt es nur wenige Zulassungen.
Statistik – Altersverteilung: 50 % der Sachverständigen sind 59 Jahre oder älter (Grafik: Bayerisches Landesamt für Umwelt)
Frau Dworak ging im Weiteren auf die Darstellung der Qualitätssicherung in der Sachverständigentätigkeit, auf die Verantwortung der Sachverständigen, auf die rechtlichen Grundlagen der Zulassung nach § 18 BBodSchG sowie die Voraussetzungen für die Zulassung gemäß § 7 VSU sowie an die Anforderungen an die Sachkunde und gerätetechnische Ausstattung ein. Detailliert schilderte Frau Dworak den Ablauf des Zulassungsverfahrens von der Antragstellung, welche inzwischen digital über die Plattform des LfU erfolgen kann, über die Antragsprüfung bis zum abschließenden Fachgespräch. Abschließend wies sie auf Termine und Fristen im Zulassungsverfahren (Antrag jederzeit möglich) und im Verlängerungsverfahren (Antrag 6 Monate vor Zulassungsende) hin.
Im Themenblock „Wirkungspfad Boden-Pflanze“ berichtete Frau Christa Müller vom Institut für Ökologischen Landbau, Bodenkultur und Ressourcenschutz des Bayerischen Landesamts für Landwirtschaft (LfL Freising) über die Verwertung von Bodenmaterial und Baggergut auf landwirtschaftlichen Flächen. Eine Verwertung von Bodenmaterial und Baggergut auf landwirtschaftlichen Flächen, so Frau Müller, sei ausschließlich zur Bodenverbesserung möglich. Bei flächigen Bodenverwertungen sei dabei das Bodenschutzrecht (§ 12 BBodSchV) zu beachten. Bei Aufschüttungen mit einer Höhe von mehr als 2 m oder einer Fläche von mehr als 500 m² hingegen sei das Baurecht anzuwenden. Außerdem sei das Auf- und Einbringen von Bodenmaterial nur zulässig, wenn keine schädliche Bodenveränderung hervorgerufen (vorsorgender Bodenschutz) und die Bodenfunktion nachhaltig gesichert werde.
Wichtige Hinweise auf Ausschlussflächen sind dem UmweltAtlas Bayern zu entnehmen. Für eine schadlose Verwertung von Bodenmaterial sind die Vorsorgewerte der BBodSchV einzuhalten. Liegen keine Vorsorgewerte vor, so können zur Bewertung anorganischer Stoffe Hintergrundwerte und v. a. bei organischen Schadstoffen die Z0-Werte der LAGA (in Bayern gilt die LAGA M20 von 1997!) herangezogen werden. Des Weiteren verwies Frau Müller auf die DIN 19731, die wichtige Hinweise zur Materialbeschaffenheit, den physikalischen Eigenschaften sowie zur technisch erforderlichen Ausrüstung gibt.
Ebenfalls im Themenblock „Wirkungspfad Boden-Pflanze“ stellte Herr Thomas Osberghaus, HPC AG, Stuttgart, Bewertungsgrundlagen und Fallbeispiele für die Gefährdungsabschätzung vor. Die Handlungs- und Bewertungsgrundlagen für den Wirkungspfad Boden-Pflanze sind dem Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) sowie der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV), deren Neufassung (Artikel 2 der Mantelverordnung) am 01.08.2023 in Kraft tritt, zu entnehmen. Dabei gibt die BBodSchV unterschiedliche nutzungsorientierte Beprobungstiefen für Ackerbau bzw. Nutzgärten (0‑30 cm + 30‑60 cm) sowie für Grünland (0‑10 cm + 10-30 cm) vor. Ferner stellte Herr Osberghaus die Ableitung der Prüf- und Maßnahmenwerte sowie die Folgen bei deren Überschreitung dar.
Anhand eines Fallbeispiels ging der Referent auf die vermeintlich widersprüchliche Bewertung der Wirkungspfade Boden-Pflanze/Boden-Mensch ein und beschrieb als Lösungsansatz eine integrative Gefährdungsabschätzung beider Wirkungspfade. Überdies ging er auf die fehlende Korrelation zwischen den geogenen Gesamtgehalten für Arsen, Cadmium und Blei (Königswasseraufschluss) und deren mobilen Gehalten (Ammoniumnitratextrakt) sowie bei Benzo(a)pyren bei den Gesamtgehalten versus den Pflanzengehalten ein. Ein ausführliches Literaturverzeichnis sei der LABO „Arbeitshilfe zur Expositionsabschätzung in der Detailuntersuchung, Wirkungspfad Boden-Mensch, Wirkungspfad Boden-Nutzpflanze-Mensch“ zu entnehmen.
Im dritten Vortragsblock wurden vergaberechtliche Themen behandelt. Zunächst referierte Frau Angelika Höß vom Auftragsberatungszentrum Bayern e. V., München über die Grundlagen der öffentlichen Beschaffung. Je nachdem, ob sich die geschätzte Vergabesumme ober- oder unterhalb der aktuellen EU-Schwellenwerte bewege, so Frau Höß, seien von der Vergabestelle demnach unterschiedliche Vergabeverfahren und Regelwerke für die verschiedenen Auftragsarten (Bauleistungen, Liefer-/Dienstleistungen und freiberufliche Leistungen) heranzuziehen.
Die Referentin ging ausführlich auf die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen sowie freiberuflichen Leistungen im Unterschwellenbereich ein und stellte auszugsweise die hierfür maßgeblichen Vergabegrundlagen (UVgO und sog. IMBek) vor. Dabei stellte sie Abläufe unterschiedlicher Vergabeverfahren dar. Im Rahmen der Vorstellung der Angebotswertung ging sie insbesondere auf die Eignungsprüfung der Bieter ein. Zum Schluss ihres Vortrags gab Frau Höß hilfreiche Tipps für die Angebotsabgabe.
Anschließend gab Herr Dr. Heinrich Schoger, Gibs geologen + ingenieure GmbH + Co. KG, Nürnberg einen Einblick in die Angebotsanfragen und Kalkulation im Bereich der Altlastenbearbeitung. Einleitend schilderte er anschaulich, welche Arten von Angebotsanfragen bei einem im Altlastenbereich tätigen Ingenieurbüro eingehen können und gab Hinweise, welche Handlungshilfen den Vergabestellen für die Aufstellung von entsprechenden Leistungsbeschreibungen und Leistungsverzeichnissen hilfreich sein können. Standardisierte Anfragen hätten den Vorteil, dass sie routinierter abgearbeitet und besser kalkuliert werden können und bei sachgerechter Ausarbeitung rechtssicher seien.
Den Hauptteil seines Vortrags widmete Herr Dr. Schoger der Kalkulation. Er erläuterte für die Kalkulation kleinerer Aufträge (Historische Erkundungen, Orientierende Untersuchungen, Detailuntersuchungen) den Einfluss der „7 W“ – Warum? Was? Wieviel? Wo? Wie? Wann? Womit? – auf den Angebotspreis. Demnach könne ein Auftrag umso günstiger kalkuliert werden, je genauer die zu erbringende Leistung beschrieben werde.
Ein weiterer Schwerpunkt seines Vortrags stellte die Erläuterung der Ermittlung des Ingenieurhonorars von Sanierungsplanungen und Sanierungen, d. h. in der Regel größeren Aufträgen im Geltungsbereich der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), dar. Im Altlastenbereich, so Herr Dr. Schoger, sei in der Regel das Leistungsbild „Ingenieurbauwerke“ maßgeblich, die Einstufung des Sanierungsprojektes erfolge dann in die Honorarzonen I bis V. Hierbei müsse immer der Unterschied zwischen Grundleistungen und Besonderen Leistungen beachtet werden.
Im letzten Themenblock präsentierte Herr Thomas Struller, LGA Institut für Umweltgeologie und Altlasten GmbH, Nürnberg in seinem Vortrag Endet eine Sanierung? Argumentationshilfen und Strukturierung zwei Praxisbeispiele aus seiner 29-jährigen Berufstätigkeit.
Bei einem Beispiel handelte es sich um eine Grundwasser- und Bodenluftverunreinigung mit PAK, Naphthalin und BTEX auf einer Fläche von ca. 400 x 600 m. Seit 1989 wurden hier in drei Sanierungsphasen erhebliche Schadstoffmengen ausgetragen. Die Sanierungskosten beliefen sich allein seit 2015 auf ca. 2,2 Mio. Euro. Aus kaufmännischer Sicht und angesichts einer asymptotisch verlaufenden Austragskurve stellte der Sanierungspflichtige daher die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Sanierungsmaßnahme.
Sowohl im Fall dieses großflächigen Schadens als auch im Fall einer kleinräumigen LHKW-Grundwasserverunreinigung wurde die Verhältnismäßigkeit unter Anwendung der Arbeitshilfen "HNLUG (2018): Arbeitshilfe zur Sanierung von Grundwasserverunreinigungen" und "LUBW (2020): Ermittlung fachtechnischer Grundlagen zur Vorbereitung der Verhältnismäßigkeitsprüfung von langlaufenden Pump-and-Treat-Maßnahmen" geprüft. In seinem Fazit appellierte Herr Struller, die Verhältnismäßigkeit von langdauernden Sanierungen unter dem Aspekt der Schadstofffracht statt anhand reiner Konzentrationsbetrachtungen zu bewerten.
Im Rahmen der Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass gemäß Newsletter des BayLfU vom 25.04.2019 in Bayern im Einzelfall ergänzend die geringe Fracht unter Zugrundelegung der Ausführungen der LAWA/LABO-Arbeitshilfe "Grundsätze des nachsorgenden Grundwasserschutzes bei punktuellen Schadstoffquellen" auf Basis der Stufen-Werte angewendet werden kann.
Im letzten Vortrag der Veranstaltung präsentierte Herr Benjamin Klock, GEO-BOHRTECHNIK GmbH, Blaustein das Verfahren Druckinjektion für in-situ Sanierungen. Das Verfahren sei entwickelt worden, da konventionelle Sanierungstechniken wie Bodenluftabsaugung, Pump & Treat und ISCO-Verfahren bei heterogenen, gering durchlässigen Gesteinen nicht effizient einsetzbar seien. Bei der Druckinjektion komme ein einzementiertes Manschettenrohr zur Anwendung, über das auch mehrmals gezielt die Reagenzien in die kontaminierten bindigen Schichten injiziert werden können. Dieses Spezialtiefbau-Verfahren sei bei der Injektion hydraulischer Bindemittel Stand der Technik und sei von der GEO-BOHRTECHNIK GmbH für die in-situ-Sanierung adaptiert worden, um den jeweiligen Wirkstoff zum Schadstoff zu bringen. Injektionsversuche mit NaCl hätten in geringdurchlässigem Keuper-Mergel in einem 5 m-Radius um die Injektionsstelle noch Reagenzkonzentrationen zwischen 38 und 88 % ergeben. Herr Klock präsentierte Projektbeispiele mit FeSO4 (Sanierung eines Chrom VI-Schadens), KMnO4 und Melasse (ISCORAPID-Sanierung von LHKW-Schäden) und verwies darauf, dass auch Schäden unter Gebäuden mit Innenraum-Bohrgeräten wirkungsvoll injiziert werden können.
Druckinjektion für in-situ-Sanierungen (Foto: GEO-BOHRTECHNIK GmbH, Blaustein)
Die Resonanz auf die Veranstaltung war sehr positiv. Zu diesem schönen Erfolg trugen maßgeblich die Referierenden mit ihren interessanten und sehr aktuellen Vorträgen bei. Dafür an dieser Stelle nochmals ein besonderer Dank. Den Referenten und Moderatoren gilt auch ein Dank für die Zeit und Geduld, die sie für die Vorbereitung der Online-Veranstaltung aufgebracht haben. Ebenso ergeht ein Dank an die BVS für die hervorragende Organisation der Online-Veranstaltung, sowie natürlich auch an alle Teilnehmer für die rege Beteiligung und ihre Diskussionsbeiträge.
Bericht auch in GAB Kompakt 01/22, März 2022